Der visionäre Initiator ist führend auf dem Gebiet kulturübergreifender Musikereignisse. Komposition, Arrangement, Direktion und Produktion auf höchster Ebene sowie seine jahrelange Auseinandersetzung mit indischer und afrikanischer Musik sind seine Fähigkeiten, die sich in seinen Programmen zu einzigartigen Veranstaltungen verbinden.
Programme mit der WDR Bigband und indischen Musikern, aber auch die Zusammenarbeit mit Wolfgang Niedecken in CD-Produktionen und Grosskonzerten, Zusammenarbeiten mit dem London Philharmonic Orchestra und der Bremer Kammerphilharmonie, NDR-Bigband und dem WDR-Rundfunkorchester sowie seine Kuratortätigkeit bei der Ruhrtriennale mit Künstlern wie R.A. Ramamani, Mory Kante und Dhafer Youssef zeigen beispielhaft seinen Ideenreichtum sowie dessen begeisternde Umsetzung. Die erfolgreiche Indientournee des Bundesjazzorchesters mit dem Karnataka College of Percussion unter seiner Leitung und Initiation war der Auslöser zur Gründung des GlobalMusicOrchestra.
31.05.2013
Unsere Tournee durch Westafrika - eine erste Bilanz
Unsere Tour ist vorbei! Gestern sind wir von Bissau mit dem Bus nach Ziguinchor gefahren und von dort aus nach Dakar geflogen. Die Band ist gleich weiter nach Deutschland gereist, während ich noch drei Tage in Dakar bleiben werde, um mediale Nachbereitung zu betreiben, mich mit dem Goethe-Institut auszutauschen sowie noch einige andere lose Enden zusammen zu knüpfen. Der Flieger von Ziguinchor war komplett voll, sodass einige Gepäckstücke zurückgelassen werden mussten; natürlich hat es auch einige des BujazzOs erwischt, die dann ohne ihre Koffer die Heimreise antreten mussten. Glücklicherweise sind wenigstens alle Instrumente mitgekommen, das ist das Wichtigste für Musiker. Im Nachhinein gesehen war das eigentlich die einzige ernsthafte Panne, ansonsten sind wir dank unserer beiden Tourmanager Balde und Carlos Robalo durch Afrika gereist wie auf einem magischen fliegenden Teppich, ein Wunder, wie jeder Afrikareisende gerne bestätigen wird.
Und wie war es nun? Was soll man da sagen, nach drei mit Musik und Erlebnissen vollgestopften Wochen? Das emotionale Highlight war sicherlich das Konzert in Bissau, das auf abgesperrter Straße vor 1500 Menschen stattfand, die am Ende lautstark gemeinsam "BujazzO!" skandierten, vom Diplomaten bis zur einfachen Bevölkerung. Musikalisch hat die von mir erhoffte Begegnung der senegalesischen und der mauretanischen Musiker mit den jungen deutschen Jazzern außergewöhnliche Resultate gezeigt; ich kann mit Fug und Recht behaupten, dass wir es geschafft haben, nicht nur unerhörte Musik zu spielen, sondern auch die Herzen der Menschen aus allen Schichten zu erreichen. Viele magische Momente werden mir in Erinnerung bleiben: Das erste Konzert auf dem Festival in Saint-Louis, bei dem sich uns zum ersten Mal die Schönheit dieser Begegnung zweier Kulturen erschloss und wir merkten, dass wir auf dem richtigen Weg waren; der Gesang von Goundo und Cheick Lehbiat unter dem Vollmond in Kaolack, der sich (zumindest für mich) in den strahlenden Gesichtern der jungen Musikern widerspiegelte; die Begeisterung des Publikums, die sich während und nach den Konzerten im Beifall und den Glückwünschen zeigte; das Ankommen auf der Insel Rubani in paradiesischer Natur; die vielen kleinen Momente, die sich innerhalb des Orchesters unter den verschiedenen Kulturen ergaben; das Koraspiel von Ablaye anlässlich der Einladung zum Essen in sein Haus, bei dem er eine Griotte bei der Erzählung über die Geschichte der Slaveninsel Goree begleitete; die erste Jamsession, die einige Musiker für uns in Saint-Louis organisiert hatten, und die uns Hals über Kopf mitten hinein ins afrikanische Alltagsleben zog; und und und ......
Jeder von uns hat seine eigene Geschichte zu erzählen, jeder hat neben dem Gruppenerlebnis seine eigenen Begegnungen gehabt, jeder von uns hat Anderes mit nachhause genommen. Aber, so hoffe ich, wir alle haben dieses unglaubliche Gefühl des Staunens und des Glücks erlebt, das eine Begegnung verschiedener Kulturen auf Augenhöhe erzeugen kann. Gerade im politisch instabilen Guinea-Bissau haben wir gemerkt, wie wichtig ein solches Projekt für die Menschen dort sein kann, ein Projekt, das ohne Ansehen von Herkunft oder Staatsangehörigkeit Menschen zusammenbringt und eine künstlerische Aussage trifft, die gebraucht wird; dort, wo wir aufgetreten sind, aber auch bei uns Zuhause in Deutschland. Zwei Welten, zwei Lebensweisen trafen aufeinander und haben sich gegenseitig unterstützt und bereichert und deswegen sage ich
Danke an alle die dabei waren, an Goundo, an Cheick, Aly und Cheikhou, an Ablaye, Pape und Djiby, an jedes einzelne Mitglied des BujazzO, an Balde, Carlos Robalo, Michael Jeismann vom Goethe-Institut in Dakar, an Angelika Prox-Dampha, an Christian Klages und seine Familie, an Nellito vom Kulturministerium in Bissau, an Carsten Wille, an Solange,an Paul Chevillard und Pauline Boitard, an Guillaume, den Leiter des Centre Culturel in Bissau, ans Auswärtige Amt und das Goethe-Institut in Deutschland, die diese Reise ermöglicht haben und an alle die vielen ungenannten Helfer, die stets zur Stelle waren, um jedes kleine Problem zu lösen. Ein besonderes Lob und ein tief empfundener Dank gilt dem für das BujazzO beim Deutschen Musikrat zuständigen Dominik Seidler, ohne den wir es nicht mal bis zum Flughafen in Düsseldorf geschafft hätten: Bravo, Dominik! Und last, aber ganz bestimmt nicht least ein Dankeschön an die afrikanische Bevölkerung, die uns begeistert und ohne Umstände so herzlich aufgenommen hat, die uns mit ihrer Gastfreundschaft immer wieder überwältigt hat und uns stets gezeigt hat, dass es nicht auf Gut und Geld, sondern auf Geist und Herz ankommt. Merci, Obrigado und Djeredjoeuf, wir haben Euch in unsere Herzen aufgenommen wie Ihr uns in die Euren; für Euch haben wir musiziert, von Euch haben wir gelernt. Bis zum nächsten Mal!
23.05.2013
Afrikanischer Blues
In Afrika, muss ich Euch sagen
Gibt's oft Probleme mit dem Magen
Alles fließt ist die Devise
Und man fühlt sich ziemlich miese
Reis und Fisch und Fisch und Reis
Scharf gewürzt und dubios
Ungewohntes, Unbekanntes
Manchmal kaum zu definieren
Und bevor man sich versieht
Geht die Scheiße richtig los
Niemand wird davon verschont
Man fragt sich ob die Reise lohnt
Man wünscht sich Heim und ganz weit fort
Zum Wichtigsten wird der Abort
Für ' ne Rolle Klopapier
Gibt ein Königreich man her
Doch hilft kein Sehnen, kein Verlangen
Mitgegangen, Mitgefangen
Schon am Morgen ist das Thema
Die Verdauung und das Schema
Das den Tageslauf bestimmt
Konsistenz, Geruch und Farbe
Notdurft macht nicht halt vor Scham
Man teilt Intimes mit dem Nachbarn
Das Lächeln wird gequält und lahm
Ach, die heimatliche Stulle
Schinken,Käse,Wurst,Püree
Dazu ein Schlückchen aus der Pulle
Doch stattdessen tut es weh
Doch nur Mut, du armer Fremder
Alles geht einmal vorbei
Auch das Flüssigste wird fester
Nichts währt ewig, glaube mir
Am Ende bist du wieder frei
Kannst genießen, fressen, schlemmen
Ganz genau so wie gewohnt
Und wirst wieder zu dem König
Der stolz auf seinem Örtchen thront
Heil Dir, mutig Weitgereister
Tapfer warst Du und verwegen
Und beim nächsten Mal kannst Du dann lachen:
Schau der Touri da, da scheißt er!
19.05.2013
Am Strand in Saint-Louis de Senegal
Genau wie im letzten Jahr ist es mir auch diesmal nicht gelungen, in der Vorbereitung auf das Jazzfestival in Saint-Louis de Senegal mein Blog weiterzuführen. Seit über einer Woche sind wir, das heißt das GlobalMusicOrchestra bestehend aus dem BuJazzO und sieben afrikanischen Gastmusikern, vor Ort. Wir haben jeden Tag von 10 bis 15 Uhr geprobt, und das ist in diesem Klima dermaßen anstrengend, dass nicht nur ich, sondern zu meiner großen Erleichterung auch die wesentlich jüngeren Musiker des BuJazzO nach den Proben ziemlich geschafft waren. Nichtsdestotrotz haben wir eine unvergessliche Woche verbracht, die schon fast alles das gehalten hat, was ich mir von dieser Reise versprochen hatte. Wir haben gemeinsam mit unseren afrikanischen Musikern wunderbare Musik gespielt, haben mit lokalen Musikern gejammt und sind gestern von unserem hier in Saint-Louis lebenden Koraspieler Ablaye Cissoko in sein Haus zum Essen eingeladen worden, inklusive einem kleinen Konzert und sogar (wenn auch nur für mich, hehe) einer anschließenden Massage. Die BujazzOs haben sich schnell assimiliert und betrachten Saint-Louis als ihr Revier, fahren in den örtlichen Eselskarren durch die Gegend und die Trompetensektion hat sich komplett afrikanisch eingekleidet, kommt gar königlich daher. Vor allem aber hatten wir ein herausragendes Konzert auf dem Jazzfestival mit Zugabe und Standing Ovations! Schade, dass ihr, liebe Leser, nicht dabei sein konntet!
Gestern waren alle ermattet, und nicht alle konnten sich auf die angesagte Jamsession im "Flamingo" schleppen, ich schon gar nicht. Aber nach zehn Stunden Schlaf bin ich jetzt wieder auf dem Damm und freue mich auf das heute Abend stattfindende Konzert meines Freundes Dhafer Youssef, der von meiner Anwesenheit hier nichts weiß und den ich also ganz schön überraschen werde. Fast das schönste Erlebnis dieser Woche hatte ich heute Nachmittag. Unser Hotel liegt etwas außerhalb von Saint-Louis an einem normalerweise recht menschenleeren Strand, der sich allerdings sonntags (also heute) etwas belebt, wenn auch nicht vergleichbar mit den Badestränden in Spanien oder Italien. Direkt vor dem Hotel spielt eine Trommelgruppe und die Einwohner von Saint-Louis erholen sich an und im Meer. Ich bin eine ganze Strecke am Strand entlang spaziert und genoss zum letzten Mal - denn morgen fahren wir nach Dakar - die frische Luft und das Panorama. Nach und nach kam ich zu Strandabschnitten, wo kaum noch jemand zu sehen war. Und dann lag da einer ganz allein, noch nass vom Bad, voller Sand, blickte aufs Meer und sang aus vollem Herzen ein afrikanisches Lied. Ich ging vorbei, lächelte ihn an und hob den Daumen. Der junge Mann hörte nicht auf zu singen und gab mir das Lächeln zurück. Noch bis zur Hörgrenze begleitete mich sein Gesang. Versteht ihr, warum mich das glücklich macht?
Endlich ist es soweit: Mike Herting und Djiby Diabate haben ihre erste CD "Saint-Louis Blooze" fertiggestellt. Im März wird sie erscheinen und bei einem Konzert am 19.3. im Stadtgarten zu Köln vorgestellt. Die beiden haben sich letztes Jahr auf den Straßen von Dakar kennegelernt und sind gleich darauf zum Jazzfestival in Saint-Louis im Senegal eingeladen worden. Nach diesem sehr erfolgreichen Konzert sind sie im Juli ins Studio gegangen. Zitat eines Kollegen: "Tolles Zusammenspiel, wunderschöne Platte!" Kommt zum Konzert!
09.05.2013
Hahn im Korb im Senegal
Unseren Tourmanager Moustapha Balde habe ich im Februar kennengelernt, als er mich auf Empfehlung eines Freundes auf der Reise von Dakar nach Saint-Louis in einem Buschtaxi begleitete. Ich war schwer beeindruckt von der Tatsache, dass er nichts auf dieser Reise dabei hatte als ein Buch des senegalesischen Reformers Leopold Senghor und dachte mir, dass ich so einem Mann vertrauen könnte. Tatsächlich hat sich die Verpflichtung von Balde als Glücksgriff erwiesen, ohne ihn wäre Vieles nicht zu verwirklichen gewesen. Zurück in Dakar besuchte ich Balde in seiner Wohnung. Er lebt in einem Zimmer in einem typischen afrikanischen städtischen Compound. Es handelt sich dabei um einen einstöckigen, im wesentlichen rechteckigen Gebäude mit einem Innenhof. Um den Hof herum leben mehrere Parteien, Einzelpersonen und Familien, man kann sich also vorstellen, dass es ziemlich lebhaft zuging. Von Deutschland aus habe ich oft mit ihm telefoniert und unser größtes Problem war die Lautstärke seiner Umgebung, die es oft nötig machte, das Gesagte zu wiederholen. Ganz besonders laut war durch das Telefon ein Hahn zu hören, der aufgrund seiner stimmlichen Potenz sicher ins Guinness Buch der Rekorde gehörte. Gestern habe ich dann mit Balde darüber gescherzt und er antwortete mir, dass dieser Hahn ihm gehöre und er übrigens nicht einen, sondern fünf
Hähne besäße, er sie züchte. Sowas hatte ich noch nie gehört und fragte gleich, ob er sie für Hahnenkämpfe aufzog, Nein, meinte Balde, diese Hähne - er zeigte mir auf seinem Handy Bilder von den Tieren, die in einem korbartigen Käfig hielt ( aufgrund des Titels dieses Artikels haben sich einige Leser sicher etwas Anderes erwartet, haha!) - nein, diese Hähne also seien eine besondere Rasse, die sehr teuer und für den besonderen Geschmack ihres Fleisches berühmt seien. Auf meine Frage, ob es nicht schwierig sei, die Tiere, die er ja fast wie Haustiere hielt, zu schlachten, meinte er, doch, manchmal schon, aber es schmecke halt so gut, da müssten die Hähne eben dran glauben. Was lernen wir daraus? Ich bin überzeugt davon, dass man Vieles daraus lernen kann, und überlasse es meinen geneigten Lesern, ihre eigenen Schlüsse zu ziehen......
P.S. Heute Abend kommt das BujazzO in Dakar an und morgen ziehen wir weiter nach Saint-Louis. Ich bin eigentlich fix und fertig von der Tatsache, dass die organisatorischen Probleme so gut wie ausbleiben bis jetzt und warte etwas misstrauisch auf das dicke Ende. Aber was soll man machen? In den letzten beiden Tagen haben Balde und ich den Konzertort besichtigt und waren bei mehreren Rundfunk-und Fernsehstationen, um tüchtig Werbung zu machen für unsere Konzerte. Meine Vorfreude auf die Musik steigt und ich warte ungeduldig darauf, mit der musikalischen Arbeit beginnen zu können. Aber jetzt geht's bald los!
06.05.2013
Auf nach Afrika!
Es geht weiter mit unserem afrikanischen Abenteuer:
Jetzt bin ich am Pariser Flughafen und warte auf die Maschine nach Dakar. Nach mehr als zwei Jahren Hin und Her sieht es so aus, als ob unsere Tour, nämlich die des GlobalMusicOrchestra, in diesem Falle das Bundesjazzorchester verstärkt durch afrikanische Musiker, durch Westafrika tatsächlich in dieser Woche beginnt! In den letzten sechs Wochen habe ich - ehrlich! - das Leben eines Notenwurms geführt und wieder einmal die Wahrheit des Binsenspruchs:" Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit" in ihrer ganzen Intensität erlebt. Aber jetzt sind alle Noten geschrieben, der Koffer gepackt, alle Vorbereitungen getroffen, und auf geht's! Natürlich freue ich mich ungemein, dass es endlich losgeht. Zwar weiß ich, dass alle möglichen, noch ungeahnten Probleme auf uns zukommen werden, aber das ist mir hier und heute erstmal egal. Auf dem Flug nach Paris hab ich mir die Wolken von oben angeschaut und einfach mal genossen, dass jeder durchflogene Kilometer mich Afrika und der Musik, die wir dort machen werden, entgegen bringt. Gespannt bin ich natürlich auch auf die Musik. In meinem Bericht "Der Fluss Senegal" habe ich Einiges über meine musikalischen Beweggründe geschrieben und sehe jetzt der Probenphase in Saint-Louis und den Konzerten mit großer Erwartung entgegen. Ob wohl alles so klappt, wie ich es mir vorgestellt habe? Na, hoffentlich nicht.....denn ich hoffe auf Überraschungen und vor allem die Musiker des BujazzO, die ich ja in der Mehrzahl noch nicht kenne. Ich bin mir sicher, dass Afrika ihre Erwartungen über den Haufen werfen wird und sie, wie auch mich, beschenkt und im wahrsten Sinne des Wortes beschwingt. Diese Reise wird sie alle fordern und das Beste aus ihnen herausbringen. Und ich? Ich habe als Dirigent den besten Platz zum Zuhören, und den werde ich genießen..... Und natürlich auch weiterhin treulich berichten, was uns zustoßen wird. Drückt uns die Daumen und begleitet uns virtuell, hier auf dem Blog und auch auf der Website der Deutschen Welle, die dort täglich Fotos und Berichte von unserer Reise veröffentlichen wird. A bientot!
P.S. Man glaubt es nicht, was es alles gibt... Heute im Flugzeug nach Dakar: Als Dessert gab es "Barre d'Ananas" zu Deutsch etwa "Ananasriegel". War genau das, in die ungefähre Form eines Mars oder Snickers geschnittenes Ananasstück, eingeschweißt in Plastikfolie...Guten Appetit!
Seit jeher ist der Fluss Senegal die Grenze zwischen Schwarzafrika und dem arabischen Teil des Kontinents. Die Geschichte zeigt uns immer wiederkehrende Eroberungszüge aus dem Süden; aus dem Osten kamen die Araber, um sich an den fruchtbaren Küstenstreifen niederzulassen und über die kurze Mittelmeerstrecke nach Gibraltar fand der Austausch mit Europa statt, der im Slavenhandel mündete.
21.02.2013
Fernsehen in Afrika
Eine der angenehmeren Seiten des Reisens ist der - jedenfalls für mich - gänzlich andere Umgang mit dem Fernsehen: ich selbst mache es so gut wie nie in Hotelzimmern oder Privatunterkünften an. Deutsche Gastgeber im Ausland haben nach meiner Erfahrung auch nicht wirklich Freude an fremdsprachigem Fernsehen; selbst wenn man die Sprache des jeweiligen Senders gut beherrscht, gelingt es dem Zuschauer doch nicht, sich wirklich für die Figuren und den soziokulturellen Hintergrund des Geschehens zu interessieren. Man schaut, wenn's geht, das Fußballspiel der Mannschaft, die einen interessiert; vielleicht mal die Nachrichten, obwohl das Internet auch in Afrika diese besser abbildet.
Bei den Afrikanern dagegen gehört es zum guten Ton, den Fernseher einzuschalten wenn Gäste kommen, vorausgesetzt er läuft nicht schon, wie er das für gewöhnlich den lieben langen Tag tut. Meistens dudelt irgendwas bei schlechtem Bild, die Kinder hängen natürlich davor; in Restaurants essen die Gäste mit den Augen auf den Bildschirm geheftet.
Für den vom öffentlich - rechtlichen Rundfunk verwöhnten (keine Angst, ich werde es mir zur Pflicht machen, in einem späteren Artikel dieses Wort und meine desungeachtet
keineswegs milde Haltung zu erklären) Deutschen ist es einfach unfassbar, was in bonbonfarbenen Lichtschwaden in afrikanische Behausungen quillt. Zwei junge Frauen habe ich gesehen, in einer noch leeren Gaststätte,vor einer aus dem Fernseher platzenden afrikanischen Musiksendung voller US-Pop-Abklatschen aus Westafrika; Talent verschwendet, Musik zerrissen, Traditionen verbraten, Neue Sklaven des Kapitals und der Mohrrübe, die dieses den afrikanischen Künstlern vor die Nase hängt und der jene getreulich hinterher laufen; nicht dass es bei uns anders wäre. Beide Damen konnten alles auswendig, sangen mit, träumten von dieser Existenz als Sternchen, nicht anders als die Mädchen hier. Und doch berührt es mich noch anders als hier, hier bin ich mir meiner Kultur sicherer, kritisiere ich mit dem Bewusstsein, dass meine Kritik für sich schon der Motor der Veränderung ist, was sonst! Aber dort... Nicht umsonst klagen meine Musikerfreunde in Dakar, dass sich nichts entwickelt, dass ihre eigene Kultur in dieser Stadt, dem Einfallstor des Westens, sich dem Diktat des Tourismus und dem fremdbestimmten Massengeschmack unterwirft.
Billigserien, die an kaum einem anderen Ort als Afrika ihre Viertverwertung erfahren könnten, sprengen alle Grenzen der Vorstellungskraft was Schauspiel, Thema, Durchführung, Licht und Musik angeht; die Botschaft dieser Machwerke ist so hundsgemein, glanzpoliert und darauf angelegt, unterprivilegierte Menschen zu sinnlosen Wünschen zu animieren, daß man im Vergleich dazu das Dschungelcamp getrost als Rentenwohnheim für behinderte Familienmitglieder betrachten kann, die auch mal ihren Spaß haben wollen. Hoffentlich hält die Kraft der oralen Kultur die Afrikaner davon ab, noch mehr und weiterhin den Vorreitern der Plastikkultur zu verfallen! In der Wüste habe ich Reihen von brandneuen Solarkollektoren gesehen, das Beduinenzelt gleich nebenan präsentierte stolz eine Satellitenantenne. Ja, Bildung ist das Wichtigste, steht auch im Vertrag der Öffentlich - Rechtlichen , aber ich habe meine Zweifel, ob die vielleicht im Programm versteckten Bildungsleckerli das Durchschnittspublikum erreicht, in Deutschland jedenfalls nicht. Obwohl, man findet Pflänzchen in der kleinsten Lücke: Ramesh Shotham und ich waren in Dakar bei der Schwiegermutter eines Freundes eingeladen und zwar extra deshalb, damit diese sich mit Ramesh in Hindi unterhalten konnte, was sie durch endloses Anschauen von untertitelten Bollywoodschinken gelernt hatte; siehste, sagt Sat.1, hab ich doch immer gesagt, sagt RTL.
20.02.2013
Fünfzehn Mal am Tag - Afrikanisches Immunsystem -
Saint-Louis Blooze
Seit vier Tagen bin ich wieder in Deutschland und nur die in Afrika erworbene Widerstandskraft schützt mich gegen die akute Grippewelle(sagen die Afrikaner, die ich angerufen habe). Alle, aber auch alle liegen darnieder, inklusive meiner Frau Sabine. Ich wasche mir fünfzehn Mal am Tag die Hände und hoffe auf das Beste.
Wie immer komme ich aus Afrika mit viel Energie zurück; ich stehe einfach auf Kommunikation, je direkter desto besser, und die schon mehrfach beschriebene orale Kultur der Afrikaner ist, wenn man sie in Europa richtig anwendet, erstaunlich effektiv, ganz abgesehen davon, dass sie schnell ist und Spaß macht. Ich habe mir vorgenommen, diese Seite der Kommunikation zu stärken, selbstverständlich ohne auf diesen Blog oder Emails zu verzichten.
Dominik Seidler vom Deutschen Musikrat führt einen heldenhaften Kampf um die Bezuschussung der Afrika-Tournee mit den entsprechenden Stellen. Dabei stoßen wir überall, beim Goethe-Institut und beim Auswärtigen Amt auf Wohlwollen und Verständnis, aber der Teufel steckt wie so oft im Detail. Afrikanische Wirklichkeit in Excel-Tabellen abzubilden ist eben eine besondere Kunst, aber ich bin sicher, das wird uns auch noch gelingen. Täglich maile und telefoniere ich mit Afrika, besonders mit Prof. Jeismann vom Goethe-Institut und unserem Tourmanager Balde, der sich immer mehr als Glücksgriff entpuppt und alles, was geht, möglich macht. Ich denke, wir sind ganz gut aufgestellt, und das läßt mich trotz der sicherlich zu erwartenden Probleme und Änderungen vor Ort ruhig schlafen. Eigentlich unglaublich, was wir in den drei Wochen in Afrika erreicht haben, im Nachhinein war das ganz schön gewagt, was wir uns so vorgenommen haben. Aber wenn das jetzt klappt, dann wird es etwas ganz Besonderes! Inzwischen habe ich eine ungefähre Idee von Darstellung und Klang der Musik, die wir aufführen werden, und das Gute dabei ist, es ist ganz anders, als ich es mir vorgestellt habe! Gestern habe ich meinen Freund, den großen afrikanischen Schlagzeuger Mokthar Samba angerufen und ihn gefragt, wo ich denn Gnawa-Musik erleben könnte. Dazu ist zu sagen, dass die Gnawa seit Jahrhunderten sich zwischen Guinea (daher Gnawa) und Marroko hin-und herbewegen und ich, als ich sie zum ersten Mal gehört habe, sogleich dachte: Hier ist ein Ursprung des Jazz, 12er und 6er Rhythmen, die zweifellos in den Swing geführt haben. Gnawa spielen oft mit den doppelten Löffeln aus Metall, und wer das kennt, weiß, wovon ich schreibe. Diese Transformation der Sechs in die Vier ist wirklich ein großes Geheimnis, und ich möchte das in der Musik unserer Afrikareise darstellen.
Na, Mokthar sagte gleich: Essaouira, die etwas nördlich von Agadir gelegene Stadt am Meer in Marokko, da sind viele und auch die besten Gnawa, er kennt natürlich einige. Um die Musik für den Mai zu schreiben - ich muss doch viel mehr selbst komponieren, als ich ursprünglich dachte - hatte ich mir überlegt, einige Tage an der Schnittstelle zwischen Schwarz und Weiß in Klausur zu gehen und abends Gnawa-Musik zu hören. Nun wird es halt Essaouira und die Tickets habe ich schon. Gerade läuft die Freundes-Maschine an und ich hoffe, die richtigen Telefonnummern und Adressen in Essaouira zu bekommen, sonst fahre ich eben so hin.
Am Wochenende habe ich zum ersten Mal "Saint-Louis Blooze", Djiby Diabates und meine erste CD in den Händen gehabt, die wir am 19. März mit einem Konzert im Stadtgarten vorstellen werden. Mir gefällt sie wirklich gut - was keinesfalls den Normalfall darstellt, Musiker wissen, wovon ich spreche! - und die erste Reaktion eines geschätzten Kollegen war: "Tolles Zusammenspiel, sehr schöne Platte!" Na, das macht Mut, und ich hoffe, auch Euch gefällt diese Musik und ihr kommt vielleicht sogar zum Konzert!