Hier eine kleine Kostprobe der "Musique Maure", mit deren Transkription ich mich schon seit einiger Zeit beschäftige. Wir hören die Sängerin Malouma mint Meidah mit ihrem Bruder Lemrabot und der Musikerin Lalah.
16.02.2013
Viel zu kleine Penisse
Tja, ich habe aus Versehen den Titel dieser kleinen Geschichte, die ich letztes Jahr in Dakar erlebt habe, auf Facebook gepostet und stehe jetzt unter dem Druck der neugierigen Öffentlichkeit, die von mir wissen will, was das bedeuten soll; und vor allem, was das mit Musik zu tun hat? Wenn ich das wüsste! Eigentlich nichts, aber dennoch auch alles, entscheidet selbst. Außerdem muss ich vorsichtig sein, nicht des Rassismus verdächtigt zu werden, auch wenn ich sozusagen nur einen Bericht weitergebe, und werde deshalb anrüchige Bezeichnungen schwärzen, obwohl es mir scheint, dass selbst das Schwärzen zumindest tendenziell rassistisch ist. Da es das Weißen aber bei genauerem Nachdenken auch wäre, und ich beides und auch alle anderen Farben und Religionen mit meinem Gerät sowieso nicht kann, werde ich mich dieser Gefahr durch das bewährte neutrale wertfreie Pünktchen - Setzen entziehen.(Das arme Pünktchen! War es nicht einmal ein Punkt? Schluss jetzt damit!)
Nach mehrwöchiger Reise durch Mauretanien und Mali war ich im Februar letzten Jahres wieder in dem mir bekannten Hotel in Dakar angekommen. Da ich wie immer meinen Reiseprinzipien - alles essen, was man mir anbietet, überall hin mitkommen, wenn man mich auffordert - gefolgt war, war ich nicht nur erschöpft sondern auch - wenn auch nur leicht - magenkrank. Übrigens führt dieses mein Verhalten zumindest bei mir üblicherweise nicht zu den Problemen, die man befürchten sollte, sondern meistens zu guten Kontakten und leckeren Mahlzeiten. Hin und wieder geht es mal schief, bis jetzt noch nicht richtig ernsthaft, aber im Allgemeinen ist meiner Meinung nach - abgesehen von natürlicher Vorsicht und einigen einzuhaltenden Regeln - die Angst vor fremdem Essen oder Bakterien und den darauffolgenden Krankheiten oft eine sich selbsterfüllende Prophezeiung; das Gleiche gilt im Übrigen auch für Menschen und Situationen.
Ich war also abgeschlagen und bat den Portier Ibrahim, mir eine Masseuse kommen zu lassen, deren Anzeigen im Hotel aushingen. Nach einer halben Stunde erschien eine adrette, etwa vierzigjährige Marokkanerin, die sich auch sogleich äußerst fachfräulich zu Werke machte; ich bitte Euch, Euch selbst und Eure frivolen Gedanken in die Ecke zu stellen und zu büßen, liebe geile Leser. Wir kamen ins Gespräch, das heißt, sie erzählte und knetete; ich grunzte und machte mitunter andere offensichtlich ermutigende Geräusche. Mouna, wie sie natürlich nicht hieß, war lange mit einem senegalesischen General verheiratet gewesen und hatte mit diesem zwei mittlerweile erwachsene Kinder. Inzwischen war sie geschieden und genoss das Leben als alleinstehende Frau ohne größere Geldsorgen. Sie war - wie ich bezeugen kann - wirklich gut in ihrem Beruf und wurde zum Beispiel vom Sultan von Weißnichtmehr aus den Emiraten regelmäßig mit dem Flugzeug dorthin bestellt, um ihm und seinem Harem ihre geschickten Hände und die ihr eigene besondere Kenntnis des menschlichen Körpers zugute kommen zu lassen. Ich grunzte. Sie erzählte weiterhin aus ihrer Ehe mit dem General und behauptete zum Beispiel, dass viele Senegalesen sich im Hinblick auf die Naar, wie die Araber dort genannt werden, wesentlich arroganter und rassistischer verhalten würden als gegenüber uns Toubabs, den Weißen. Das ist mir durchaus vorstellbar, selbstverständlich auch in umgekehrter Richtung, läuft doch gerade dort die unscharfe Trennlinie zwischen Nord - und Schwarzafrika und die Konflikte und Verletzungen dort sind Hunderte und Tausende von Jahren alt. Mouna erzählte weiter, dass sie nach der Ehe einige Zeit einen Freund aus ....en gehabt habe, "Aber weißt du," meinte sie, " die ...er haben wirklich einfach viel zu kleine Penisse!" Ooh! Ich stöhnte unter ihren starken Händen, die eine Verspannung nach der anderen aus meinem schmerzenden Körper lösten. "Wirklich, ich hab es versucht mit ihm, er war reich und ganz in Ordnung, aber es ging nicht und auch seine Landsleute wissen einfach nicht, wie man eine Frau richtig für die Liebe vorbereitet, glaub mir." Ja, ich glaubte ihr, das leuchtete mir ein, hatte ich doch wirklich vor einigen Jahren bei einem Aufenthalt in ....en auf der Titelseite der größten dortigen Tageszeitung die Schlagzeile "Europäische Kondome zu groß für den .......en Penis" gelesen, den dazugehörigen Artikel aber nicht ganz verstanden, da er sich in ausgefeilt absurden medizinischen Details erging und Ratschläge physischer, psychologischer und spiritueller Natur gab, die ich nicht verstehen konnte. Seufzend schmolz ich weiter vor mich hin, es war warm an diesem Tag, und hörte zu, wie Mouna gerade heute morgen erst genau das Gleiche von ihrer Freundin gehört haben wollte. Diese hatte sich in den Kopf gesetzt, auch mal einen reichen .......en Mann zu haben und hatte Mouna, die durch ihren Freund mehrere ...er kannte, um Vermittlung gebeten. Aber auch da war das gleiche Problem aufgetreten: Sein Teil war viel zu klein, und dazu hatte er auch noch keine Ahnung, was er damit machen sollte. Das kam für Mounas Freundin nicht in Frage und der Kerl war sofort wieder aus dem Spiel. Tja, Geld ist nicht alles, dachte ich, und auch noch so Einiges mehr, genau wie ihr jetzt und auch die beiden Damen und besonders auch wie Mouna bei der Arbeit an mir, ich wusste nur nicht genau, was. Mouna knotete und renkte, ölte, trocknete.
"Du kannst froh sein, dass ich keine Senegalesin bin!"
"Ach ja, warum denn das?" murmelte ich unter ihrem sanftem Streicheln. "Das sind Bestien, Bestien sind das, sag ich dir, sie kennen genau die Punkte an Deinem Körper; pass auf, siehst Du, hier am Fuß zum Beispiel, dieser Punkt, siehst du, da drücken sie drauf und sofort steht dein Penis stramm, und dann, ja dann stürzen sie sich auf Dich!" Aha, dann stürzen sie sich auf mich, dachte ich so ungefähr oder vielleicht auch nicht; nun ja, ich gebe zu, ich war verwirrt, doch sehr entspannt, drum ließ ich sie weiter ihre Massage beenden. Aha. So. Ich ließ mir den Punkt nochmal genau zeigen, damit niemand aus Versehen oder geradezu absichtlich darauf drücken könnte. Das war doch mal interessant! Ich bemerkte es kaum, als Mouna fertig war und ihre Utensilien zusammenpackte, hatte ich doch Einiges gelernt. Es war eine tolle Massage, und sie war ja Marokkanerin und hatte mich gewarnt und ich hatte sie verstanden. Es herrschte Eintracht zwischen uns, wirklich; sie beendete ihren Aufenthalt , wir machten uns noch gegenseitig Komplimente, sie gab mir ihre Telefonnummer und wir schieden in Frieden. Nächstes Mal ruf ich sie an und lass mich wieder massieren, mal sehen, was es Neues aus ....en gibt.
04.02.2013 Mauretanischer Tee So langsam fordert diese intensive Reise ihren Tribut von mir ein. Heute morgen war ich ziemlich erschlagen und bin in meiner Herberge geblieben und habe an die Decke geschaut. Mittags wurde ich abgeholt und zu Maaloumas Stiftung gebracht, wo ich mit Ali und Maaloumas Bruder weiter an dem Projekt der Notation der maurischen Musik arbeitete. Schon allein deswegen muss ich wieder nach Nouakchott zurückkommen und werde dieses Projekt dem Goethe-Institut unterbreiten, hoffentlich finden wir dort Unterstützung. Später fuhren wir gemeinsam zu Cheikh Labiat, einem weiteren bekannten Sänger, den ich schon letztes Jahr kennengelernt hatte. Cheikh ist ohne jede Ausbildung, aber unglaublich musikalisch begabt. Er stammt aus dem Westen Mauretaniens, ein Saharaoui mit einer wunderbaren Stimme und untrüglichem rhythmischen Gefühl sowie, man höre und staune, großem harmonischen Einfühlungsvermögen, das er mir auf der Gitarre demonstrierte. Er strahlt die Unmittelbarkeit und Wärme der Wüstenbewohner aus und hat gemeinsam mit Ali den Nachmittag über für mich gespielt. Leider wird Maalouma wohl nicht nach Saint-Louis zum Festival kommen, ich habe stattdessen Ali und Cheikh gebeten, gemeinsam mit uns im Mai in Saint-Louis zu bleiben. Morgen früh geht's wieder zurück nach Saint-Louis, die Zeit scheint nur so davon zu fliegen! Ich werde wohl wieder in ein Taxi nach Rosso gesetzt werden, wo mich ein weiteres Mal Abdul über die Grenze bringen soll. In Saint-Louis erwartet mich Ablaye Sissoko, mit dem ich anderen Tags nach Dakar fahren soll, um an der Konferenz der Programmkommission des Festivals teilzunehmen. Übrigens möchte ich nicht versäumen zu erwähnen, dass in Mauretanien seit dem ersten Januar diesen Jahres Plastiktüten verboten sind, da können wir uns eine Scheibe von abschneiden (natürlich nicht von der Plastiktüte!). Wie wichtig das für Westafrika ist, wird deutlich werden, wenn ich aus Guinea-Bissau berichte; falls sich dort nichts geändert hat, werde ich die Erde nicht berühren, sondern auf Plastik wandeln; verzeiht die - wenn auch nur geringfügige - Übertreibung. So, bei Cheikh gab's Unmengen des starken mauretanischen Tees, mal sehen, wie lange der mich noch wachhält... A demain! P.S. Heute streikt in Mauretanien das Internet, deshalb kann ich mein Blog wohl erst wieder morgen früh oder im Senegal veröffentlichen, bis dann!
03.02.2013
Invisible
Heute morgen habe ich zunächst das Centre Culturel Francais besucht und mit M.Bourdais, dem stellvertretenden Leiter gesprochen, den ich letztes Jahr kennengelernt hatte und mit dem ich seither in Kontakt stand. Die sowieso schon drei Meter hohe Mauer um Botschaft und Institut ist noch um zwei Meter Stacheldraht gewachsen. M.Bourdais und ich waren uns schnell einig, dass Mauretanien nicht auf der Liste der Länder steht, die wir mit dem BujazzO bereisen werden. Zum Einen gibt es eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes, zum Anderen beklagte M.Bourdais, dass er seit Ausbruch des Krieges in Mali überhaupt keine Veranstaltungen mehr durchführen dürfte; wie schade, war doch das Institut ein großer Förderer der Künste und der einheimischen Musiker. Aber wir beide geben nicht auf, vielleicht gibt es später noch eine Gelegenheit zur Zusammenarbeit. Der Besuch der Deutschen Botschaft versetzte mir einen regelrechten Schock, schien man mich doch dort als unverantwortlichen Hasardeur zu betrachten, der leichtfertig sei Leben aufs Spiel setzt! Nun reise ich schon ziemlich lange durch die Welt, und obwohl in Mali Krieg ist und vielleicht auch im Norden Mauretaniens die hier sogenannten Integristen ihr Rückzugsgebiet finden, so schien mir doch die Wagenburgmentalität der Deutschen übertrieben, jedenfalls waren die Franzosen cooler. Vielleicht straft mich der weitere Verlauf meiner Reise Lügen-hoffentlich nicht!-, aber mir ist doch auch im Gespräch mit anderen Deutschen aufgefallen, dass ich sozusagen low-profile reise. Die Anweisung an deutsche Beschäftigte in Nouakchott lautet, nicht zu Fuß zu gehen, nicht die Stadt zu verlassen etc. Ob man weniger auffällt, wenn man in dicken Toubab-Autos durch die Gegend fährt, wage ich zu bezweifeln(wie übrigens auch die hier schon lange lebenden Europäer), aber ich verstehe natürlich die Pflicht der Botschaft, Landsleute zu warnen. Außerdem leben sie in der Botschaftsenklave, die sie selten verlassen und sind natürlich markantere Ziele als ich es offensichtlich darstelle. Ich hatte mir wegen des Sandes gleich morgens einen Turban gekauft und war urplötzlich unsichtbar, wirklich, der Unterschied war eklatant, niemand schien mich als Weißen wahrzunehmen, ich wurde sogar auf Arabisch angesprochen, ich glaube, der Herr wollte mich nach dem Weg fragen. Als ich meine mauretanischen Freunde auf das Thema ansprach, beklagten auch sie die wachsende Unsicherheit der Europäer; aber was will man machen? Ein Drama, das sich hoffentlich bald zum Besseren wendet!
Mittags ging ich zu Maalouma, wo mich Aly und Maaloumas Bruder erwarteten und sogleich in ihr neues Projekt einbanden. Die musique maure, die aus genau den Gegenden stammt, die im Moment als das Aufmarschgebiet der Islamisten gelten, ist im Begriff, zu verschwinden. Maalouma als eine der letzten wirklichen Repräsentantinnen dieser Musik ist bestrebt, sie für die nachfolgenden Musikergenerationen zu bewahren, und hat mich gebeten, mit ihr und Aly zusammen die Theorie dieser Musikform zu notieren, ein sehr interessantes Angebot. Ich wurde als erstes eingeweiht in die verschiedenen pentatonischen Modi der maurischen Musik. Jede dieser Modi ist unterteilt in einen schwarzen, einen weißen und einen gemischten "Weg", und jeder dieser Wege kann wiederum "geschwärzt" oder
"geweißt" werden; nachdem, was ich bis jetzt verstanden habe, scheinen mir die "Blue notes" des Jazz unmittelbar mit diesen Färbungen zu tun zu haben. Klar, dass ich mich nach der jetzt anstehenden BujazzO-Reise damit beschäftigen werde, so werde ich also hoffentlich wieder nach Mauretanien zurückkehren. Morgen gibt's dann weitere Instruktionen, ich werde davon getreulich berichten. Bonne Nuit!
02.02.2013
Pharmazie Auweyya
Morgens um neun wartete ich also wie verabredet auf den Fahrer Sidi, der nicht kam. Als ich nach einer Viertelstunde anrief, sagte er, er habe nur auf meinen Anruf gewartet, er sei gleich da. Naja, eine halbe Stunde später kam - nicht Sidi, sondern jemand anders, den er für den Job subkontraktiert hatte. Der brachte mich auf der sehr guten Straße in anderthalb Stunden nach Rosso, dem Grenzflecken am Senegalfluss. Hier gab's das übliche Gequirle und Gewühle, ich ließ mich gleich in die senegalesische Polizeistation treiben, wo ich problemlos meinen Stempel bekam und dann kurz auf Abdul, Alys Cousin, wartete. Gemeinsam fuhren wir in einer Barkasse über den Fluss. Direkt an der Anlegestelle ist die so gefürchtete Grenze. Abdul verschwand mit meinem Pass, und nach zehn Minuten kam er wieder und schon war ich in Mauretanien, ohne einen einzigen Beamten gesehen zu haben; das muss doch eine Art Rekord sein, denn selbst Aly war erstaunt darüber, als ich ihm davon erzählte. Abdul brachte mich zum Gare Routier und setzte mich in ein achtsitziges Fahrzeug, das auch vollbeladen sofort aufbrach. Es war eng, aber gemütlich, neben mir saß ein Afrikaner, der sowas von haargenau wie mein Freund Carlos Robalo aussah, dass ich ihn fragte, ob er vom selben Stamm sei; war aber Fehlanzeige.
Die Gegend, durch die das Taxi nach Nouakchott fuhr, ist absolut desolat, ich frage mich, wovon die Menschen dort leben, wo sie ihr Wasser herbekommen. Auf den ersten fünfzig Kilometern hinter dem Fluss sieht man noch niedrige Bäume, danach nur noch Gestrüpp. Alles ist von dem allgegenwärtigen Sand überzogen, meistens ist es menschenleer. Ab und zu tauchen Siedlungen rechts und links der Straße auf; diese bestehen aus kleinen Backsteinbauten, Wellblechhütten, Beduinenzelten und jeder denkbaren Kombination der drei Behausungsarten. Einige der Ansiedlungen haben brandneue Solarkollektoren, und ich durfte zum ersten Mal ein Beduinenzelt mit Satellitenantenne erblicken, ein etwas zwiespältiges Gefühl. Im Gedächtnis geblieben ist mir die am Straßenrand gelegene Pharmazie Auweyya, die hätte bestimmt auch in Deutschland ihre Kundschaft!
Die ganze Zeit über ließ der Fahrer mauretanische Volksmusik laufen, eine repetitive Musik von großer Kraft und Wildheit. Auf der Fahrt hat sich mir diese Musik ein wenig durch die Landschaft erschlossen, ich fühlte mich entspannt und begriff zur gleichen Zeit die Freundlichkeit und die Härte der hier lebenden Menschen. Europa, Talkshows, Oktoberfest, Mindestlohn, Brüderles Problem - dies sind nur einige der Ideen und Konzepte, die hier absolut keinen Sinn ergeben. Die Wüste gebiert große Krieger, die mit sowenig existieren können, dass westliche Soldaten selbst mit überlegener Ausrüstung und Logistik es schwer haben, gegen diese Menschen in der Wüste zu bestehen, kein Wunder!
Alle paar Kilometer muss man anhalten und an den Polizei- und Militärposten Papiere vorzeigen; alles lief aber höchst korrekt und zivil, die Kontrolleure verabschiedeten mich immer mit einem "Bienvenu au Mauretanie", vielleicht habe ich auch einfach nur Glück gehabt. Gegen halb vier erreichten wir Nouakchott, wo mich der Fahrer an dem Wahrzeichen der drei Strommasten(sind halt drei Strommasten) absetzte. Kurz darauf kam Aly und holte mich ab. Wir fuhren gleich zu Maaloumas Haus, die ein Essen vorbereitet hatte. Ich habe sie nur drei Tage lang kennengelernt letztes Jahr, es war, als wäre ich nie weg gewesen. Maalouma hat ein Klavier und wir haben unser Projekt besprochen und ein wenig gespielt. Sie ist Senatorin und sprach mit mir über ihre Furcht, dass Mauretanien in den Konflikt in Mali verwickelt würde. Diese Dame ist eine Repräsentantin des wahren, des offenen und freiheitlichen Islam! Übrigens erklärte sie mir, dass das Wort Islam selbst von Salam, Frieden, kommt, und alle die, die im Namen des Islam Krieg führen, per Definitionen das Falsche tun. Sie teilt meine Meinung, dass der afrikanische Islam, den ich weiter oben beschrieben habe, der wahre und richtige Weg ist, wenn man denn eine Religion braucht. Obwohl sie selbst arabische und maurische Wurzeln hat, ist sie überzeugt, dass der saudische und generell arabische Islam die falschen Prioritäten setzt, würden doch alle Muslims so denken!
Ich fühle mich sehr privilegiert, den heutigen Tag auf oben beschriebene Weise verbracht zu haben, es ist wunderbar, hier in der Wüste von Menschen einer vollkommen fremdartigen Kultur empfangen und als Freund gesehen zu werden, schon wieder etwas, was man nicht kaufen kann!
01.02.2013
Unbefleckte Empfängnis
Gestern Abend hatte ich noch mit Ablaye Sissoko telefoniert, der im Moment in Paris ist. Er kommt am 5.2. nach Dakar und ich werde ihn voraussichtlich dort treffen, um ihn zu der Sitzung der Programmkommission zu begleiten.
Bin ich eigentlich noch Musiker? Zahlen, Verhandlungen, Besichtigungen, Konferenzen.... Gottseidank lassen die Taxifahrer alle recht laute Musik laufen, sodass ich nicht ganz den Kontakt zu meinem gewählten Beruf verliere. Aber ich will nicht klagen, ich mach's ja freiwillig; na gut, ein wenig jammern hilft meiner Psyche, hoffentlich.
Morgen geht's nach Nouakchott, das ist ziemlich kompliziert, ich muss ein Taxi bis Rosso nehmen, dann mit der Fähre über den Senegalfluss schippern, die schwierige Grenze nach Mauretanien überwinden (meine Freunde in Saint - Louis nennen sie "degeulasse", und raten mir, bloß kein Bargeld sehen zu lassen), um dann ein weiteres Taxi zu finden, das mich bis Nouakchott bringt. Aly Ndao, der Gitarrist und Manager von Maalouma, hat mich telefonisch mit seinem Cousin in Verbindung gebracht, der wiederum mir versicherte, dass morgen ein Bekannter von ihm in Rosso auf mich warten würde, um mir den Grenzübergang zu erleichtern. Da ich ein vertrauensseliger Mensch bin, werde ich ruhig und voller Hoffnung morgen losfahren, wir werden ja dann sehen....
Ganz früh war ich im Institut Francais, leider ist es mir nicht gelungen, mit der Leiterin Kontakt aufzunehmen, da sie in einer Konferenz war und mich leider nicht zurückgerufen hat; schade, denn eigentlich wollte ich mit ihr zusammenarbeiten, aber es geht auch so, außerdem wer weiß, wozu es gut ist.
Als ich vor einem Jahr nur einen einzigen Tag in Saint-Louis war, habe ich die Sängerin Louise und ihren Mann Matthias, einen Gitarristen, kennengelernt, wir haben ein wenig gejammt. Aus irgendeinem Grund hat mich Louise als ihren "Vater" auserkoren, ihre Familie hatte nichts dagegen. Ihren sechsmonatigen Sohn hat sie nach seinem Großvater(also mir) benannt, so geht das hier. Heute hab ich das Paar besucht und mir ihr selbstgebautes "Recording Studio" angesehen, da schick ich Euch hin, liebe BujazzOs, das ist Reality pur.....Übrigens, wenn ihr irgend etwas übrig habt, ein altes Mikro, Kabel, Saiten, alte Effekte, was auch immer, bitte packt es ein, wenn wir kommen, hier wird alles, aber auch alles gebraucht. Natürlich bin ich, sind wir Europäer alle reich im Vergleich zu den hier lebenden Musikern und ich unterstütze sie hin und wieder. Vor einigen Monaten kam ein Anruf von Louise, in dem sie mir erklärte, es sei gerade Ziegenfest, und sie habe keine Ziege...Naja, ich hab auch keine, aber ich brauch ja auch keine, war eh klar, was gemeint war. Inzwischen habe ich mir angewöhnt, nichts mehr zu spenden in Europa, sondern ich gebe die Geldbeträge, die ich mir leisten kann, lieber direkt an meine Freunde hier weiter, wenn ich reise, das macht meiner Meinung nach am meisten Sinn, und wenn's die Leute nur satt macht. So Leute, jetzt gönne ich mir noch einen Spaziergang am Strand und packe dann meine Siebensachen. Morgen dann ein Bericht aus Nouakchott, in'ch Allah!
28.01.2013
Quer durch Dakar
Was für ein Tag! Morgens traf ich mich mit Djiby im Goethe-Institut, wo wir gemeinsam mit Prof. Jeismann, dem Leiter, den geplanten Ablauf der Tour besprachen. Dr. Jeismann war sehr hilfreich und wir haben den 22.5. als Konzerttermin in Dakar festgelegt. Da es immer noch äußerst zweifelhaft ist , ob wir nach Mauretanien können, werden Dr. Jeismann und ich nach meiner Rückkehr aus Saint-Louis gemeinsam Monsieur Alban, den Leiter des Centre Culturel Francais in Dakar aufsuchen, den ich schon anlässlich meines Konzerts dort im Oktober kennengelernt habe, um eine Kooperation beider Institute in die Wege zu leiten. Unsere Wunschvorstellung ist eMikes, ein Konzert in Gambia und eines in Ziguinchor zu veranstalten.
Danach sind Djiby und ich zu dem Hotel gefahren, das er für uns ausfindig gemacht hat, La Residence. Es liegt direkt am Meer und ist für uns sehr gut geeignet, sodass ich gleich für unseren Aufenthalt reserviert habe. Inzwischen hatte ich schon richtig Hunger, und tatsächlich hat mich der Sicherheitsmann des Hotels gleich eingeladen, sein Mittagessen, ein leckeres Thiboudienne (Reis mit Kartoffeln und mikroskopischen Fleischteilen) mit ihm zu teilen, wundert ihr euch darüber, dass ich Afrika liebe?
Gleich ging es weiter zu Balde, dem Manager von Ablaye Sissoko, der mit uns die Tour bestreiten soll. Obwohl ich mit Ablaye mehrfach gemailt hatte, hat mir der bescheidene Mensch nicht gesagt, dass er selbst es ist, der die Programmation in diesem Jahr in der Hand hat! Ich nehme deshalb stark an, dass es kein großes Problem sein wird, den Auftritt in Saint-Louis zu arrangieren....
Dazu kommt, dass mich Balde morgen nach Saint-Louis begleiten wird, um mich dem Chef des Festivals vorzustellen und gute Preise bei Hotel und Bus zu erzielen. Ablaye ist leider auf Tour,deshalb werde ich ihn nicht sehen, allerdings kommt er Ende März nach Köln und wird einige Tage bei mir bleiben, um mit mir musikalisch zu arbeiten.
Nächste Station war das Haus von Pape Samory Seck, ganz im Norden von Dakar. Pape kenne ich seit letztem Jahr, ich hatte ihn zu einem Konzert des GlobalMusicOrchestra eingeladen. Er ist ein hervorragender Perkussionist, der zwischen Senegal und Bonn, wo er eine Wohnung hat, hin - und herpendelt, und ich habe ihn für die Tour verpflichtet; ein absoluter Glücksfall, da er nicht nur ein Topmusiker ist, sondern auch fließend Deutsch spricht!
Inzwischen war die Nacht hereingebrochen und Djiby und ich waren von dem ausgefüllten Tag ziemlich erledigt, sodass wir zu unseren jeweiligen Wohnungen zurückgekehrt sind.
Ich bin sehr glücklich und dankbar, heute hat sich Afrika mir wieder einmal von seiner magischen Seite gezeigt, alle Türen gingen auf und meine Gesprächspartner waren sehr hilfreich, überall hat man mir zu essen gegeben, was kann man mehr verlangen? Sicher wird es auch wieder Hindernisse zu überwinden geben, aber heute war ein Tag, den ich nicht verkaufen möchte! Aber so ist das halt, und wir Musiker wissen es am besten: Alles was wirklich geil ist, kann man nicht kaufen.....
25.01.2013
Modern Life
Heute morgen nun sollte ich aufbrechen zu meiner Reise nach Westafrika. Anfang letzten Jahres hatte mich das Goethe-Institut mit einer einmonatigen künstlerischen Residenz in Westafrika - namentlich Senegal, Mali und Mauretanien - bedacht, und ich hatte diese wunderbare Reise mit dem Ziel verknüpft, eine Begegnung des Bundesjazzorchesters mit afrikanischen Musikern zu ermöglichen. Tatsächlich ergaben sich eine ganze Reihe von Möglichkeiten, die mich und meinen Partner im Deutschen Musikrat, Dominik Seidler, ermutigten, ein derartiges Projekt in Angriff zu nehmen. Ich hatte einige herausragende afrikanische Musiker kennengelernt, sowie Unterstützer beim Goethe-Institut, der Deutschen Botschaft und bei offiziellen und inoffiziellen Stellen der afrikanischen Kultur gefunden. Im Mai nun soll eine mit einem Workshop verbundene Tournee durch Westafrika durchgeführt werden, und meine jetzige Reise dient der Vorbereitung.
Durch die politischen Entwicklungen der letzten Wochen ist es leider unmöglich geworden, mit dem Orchester nach Mali zu reisen - welch ein Jammer! Die Hauptstadt Bamako vibriert vor Musik, das Leben ist nicht einfach, aber bei meinem Aufenthalt in Bamako habe ich neben der mehr als ein Jahrtausend alten Kultur einen aufgeschlossenen und fröhlichen afrikanischen Islam erlebt, da geht kein Gedanke in Richtung Scharia oder Burka. Meine Freunde in Bamako beklagen in Telefonaten den Stillstand des täglichen Lebens, der ihnen von den zumeist staatsfremden Invasoren, die im Norden ihr Regime aufbauen, aufgezwungen wird. Meiner Meinung nach haben sich Al Kaida und ihre Unterorganisationen strategisch ausgesprochen clever in eine Gegend der jahrhundertealten knüppelharten institutionalisierten Nord-Süd-Ausbeutung begeben, um ihre Vision eines Gottesstaates unter einem - wenn auch sehr fadenscheinigen, jedoch mit reichlich Geld islamistischer Ölemporkömmlinge finanzierten - Banner des Abwurfs des Jochs der Unterdrückung in ihre freudlose Ausübung zu überführen, mit Schleier, Händeabhacken und gleichzeitigem Beten, effektiv und schleimig, pfui Teufel!
Ich bin gespannt, wie sich die Situation nach meinem letzen Besuch in Westafrika nun darstellt. Mauretanien will ich wieder besuchen, obwohl nicht klar ist, ob wir mit dem Orchester dorthin reisen können, das werde ich erst nach meinem Aufenthalt wissen. Aber ich möchte die Sängerin Maalouma und ihren Gitarristen Ali Ndao wiedersehen und sie in unser Projekt einbinden. In Saint-Louis im Senegal werde ich unter anderem den Koraspieler Ablaye Sissoko besuchen und in Dakar den Balaphonisten Djiby Diabate. Schlussendlich fliege ich von Dakar nach Guinea-Bissau, wo mein Freund Carlos Robalo uns den Weg bereiten wird, In'ch Allah, so muss man in Westafrika sagen.
Zur Zeit ist mein Freund Heiner Wiberny in Dakar und arbeitet zusammen mit dem Goethe-Institut und afrikanischen Musikern über den Jazz im Dreieck Afrika - Amerika - Europa, sodass er gemeinsam mit den senegalesischen Musikern unter anderem Bebopstücke übt und aufführt, das finde ich gut! Heute Abend ist sein Abschlusskonzert im "Just for You" in Dakar, da wären doch gerne einige von uns dabei, nicht wahr?
So auch ich, aber leider soll mein Flugzeug erst gegen Mitternacht ankommen, so dass ich Heiner und seine Frau Ulla erst am Samstag Abend zu einem Abschiedsessen sehe, so dachte ich.
Denn heute morgen bin ich zwar aufgebrochen zu meiner Reise, diese wurde aber gleich schon am Flughafen Düsseldorf wieder unterbrochen. Entgegen der Versicherung der Hotline (warum glaube ich eigentlich perfekt Deutsch sprechenden Indern in Bangalore, die 8000 km vom Schuss entfernt sitzen? Selber Schuld!) beeinträchtigte der Streik des Sicherheitspersonals den Betrieb des Flughafens dermaßen, dass alle Passagiere "meiner" Maschine an einem privilegierten Platz vor einer Schuhboutique (Boots, die aussehen wie meine Hausschuhe, für 220 Euro; und noch nicht mal mit Fußbett, sagte die Dame neben mir zu ihren beiden Freundinnen) zusammengetrieben wurden, wo man uns fünf Minuten vor geplantem Abflug mitteilte, dass der Pilot die Nase voll hätte und jetzt mit leerer Maschine nach Madrid abheben würde, adios. Naja, ganz so hat man uns das nicht gesagt, obwohl die nette Spanierin vor mir meinte, dass das gestern genauso gewesen wäre und sie jetzt aufgeben und bis Montag in Düsseldorf bleiben würde. Wie wir schließlich wieder an unsere Koffer und dann trotz Notarzteinsatzes an den Gleisen der Bundesbahnstrecke Düsseldorf - Köln wieder an Orte der Vernetzung kamen, will ich meinen Lesern ersparen. Jedenfalls sitze ich jetzt voll für meine Reise gerüstet wieder auf meinem Sofa und denke mir, wer weiß wofür's gut war. Morgen probier ich's wieder, aber dann von Frankfurt.